Hessische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS)

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Hessische Landesstelle
für Suchtfragen e.V. (HLS)

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Der Impuls

Ziel des Wettbewerbs war es, neue suchtpräventive Aktivitäten vorzustellen und in Hessen bekannt zu machen. Darüber hinaus sollten Institutionen Anerkennung finden, die suchtpräventive Maßnahmen und Projekte innovativ und wirksam umsetzen.

Theater als Sucht - Sucht als Theater

Theaterpädagogischer Suchtpräventionsworkshop für Schulklassen

ln unserem Suchtpräventionsworkshop wird den Fragen nach Konsum und Abhängigkeit im täglichen Leben und Erleben aktiv nachgegangen. Die Klasse setzt sich mit ihren Ängsten, Erfahrungen und Vorstellungen zum Thema kreativ auseinander. Dabei ist es wichtig, direkt von der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen auszugehen, um ihre Sensibilität für ihre eigene Disposition in Bezug auf Abhängigkeit und Konsum zu schärfen. Die Theaterarbeit eignet sich hierfür besonders, denn das Theater bietet einen Erlebnisraum, der Erfahrungsmöglichkeiten im gemeinsamen Spiel öffnet. Die Rollenarbeit bietet den Jugendlichen die Gelegenheit, sich in andere Rollen und gleichsam andere Perspektiven hinein zu begeben, die sie schon immer einmal ausprobieren wollten. Ohne Sanktionen und mit viel Spaß kann so ein Perspektivwechsel aktiv vollzogen werden.

Der Workshop wird an einem Schulvormittag von drei Theaterpädagoginnen durchgeführt. Das Programm wird nach Altersstufen entsprechend modifiziert und von Jahrgangsstufe 3 (Grundschule) bis zur Berufsschule und Oberstufe angeboten.

1. Der theoretische Hintergrund

Theaterpädagogische Arbeit kann als lnitiierung künstlerischer Prozesse bei Kindern und Jugendlichen gesehen werden und als Bearbeitungsmöglichkeit von psychosozialer Thematik.

Wichtig dabei ist die Gleichberechtigung der Tendenzen, dass Theater ist nicht nur Mittel zum Zweck sowie die Überbetonung der pädagogischen Botschaft zu sehr in eine Richtung führen kann oder die ausschließliche Konzentration auf die künstlerisch-ästhetische Wirkung des Theaters nur eine Seite betont.

Gerade das themenzentrierte Theater (die theaterpädagogische Arbeit zu speziellen gesellschaftsrelevanten oder individuellen Themen) geht einen schwierigen Weg. Es ist der Anforderung ausgesetzt, etwas in den Spieler/innen auszulösen, was Auswirkungen auf den jeweiligen Themenbereich haben kann (Konfliktlösung, Gewalt- oder Suchtprävention). Es gibt aber auch den Ansatz, dass gerade das losgelöste Spiel, welches nicht am Thema orientiert ist, etwas beitragen kann, um Vorgänge bewusster zu machen, die mit dem Thema im Zusammenhang stehen (der Gruppenzusammenhalt zwischen einer Schulklasse kann durch die gemeinsamen Übungen und das gemeinsame Spiel gestärkt werden, was wiederum positive Auswirkungen auf den Umgang mit Gewalt und/oder Konsum der Schüler haben kann).

Es gibt keinen Nachweis der eindeutigen Wirkungsnachhaltigkeit von theaterpädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen - aber ist das nicht ein generelles Problem von pädagogischer wie künstlerischer Wirkungsfähigkeit? Man kann nicht mit Bestimmtheit sagen, dass jemand der Theaterspielt nicht gewalttätig oder süchtig wird, es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Fest steht, dass Kinder und Jugendliche, die Theater spielen, ihren Körper, sich und die anderen aus einer anderen Perspektive kennen lernen, sich auf eine besondere Weise erfahren können und somit Einblicke haben, die ihnen sonst nicht gewährtwären. Das bietet zumindest die Chance auf eine Wirkkraft, die es nicht zu unterschätzengilt.

1a. Suchtprävention mit den Mitteln der Theaterpädagogik

Das Theaterspielen bietet sich gerade in den Bereichen der Gewalt- und Suchtprävention (bzw. in der allgemeinen Prävention) an, da es immer um das Individuum, die eigenen Gefühle und um die anderen Mitspieler/innen (Wahrnehmung) geht. Diese Elemente spielen sowohl im Theater wie in den Bereichen der Gewalt und der Sucht eine bedeutende Rolle.

Das Theater bietet einen Raum, der im Alltag der Kinder und Jugendlichen so nicht vorkommt. Sie befinden sich in einer Situation, die viel Platz lässt für das, was sie sonst nicht zeigen, äußern, empfinden können. Das Schaffen von Rollen bietet ihnen die Möglichkeit sich in andere Perspektiven hinein zu begeben, die sie schon immer einmal ausprobieren wollten oder in die sie sich noch nie versetzten konnten. Sie können sich in andere Art und Weise entäußern, vielleicht nur durch den Körper, ohne zu sprechen (Pantomime). Sie befinden sich in einem Raum, indem sie etwas ausprobieren können, ohne dass sie Sanktionen erwarten. Und sie können Spaß haben. Diese Elemente werden auch oft im Konsum von Drogen gesucht, sich ausprobieren, sich abgrenzen, etwas erleben, was sich vom Alltag unterscheidet, Spaß haben, mit der Gruppe was erleben. Hier besteht eine Verbindungslinie zwischen dem Theaterspielen und dem Konsum von Drogen (siehe dazu N. Natzke "Suchtprävention mit den Mitteln der Theaterpädagogik?" Magisterarbeit 2001 S. 80 ff.). Das einzige was das Theater nicht ist, es ist nicht verboten (wie illegale Drogen). Hier besteht ein Reiz, der von Drogen ausgeht, den das Theater so direkt nicht bieten kann. Wobei es hier auch Möglichkeiten gibt, im Theaterspiel etwas zu tun bzw. zu spielen, was verboten ist (z.B. Morden, Drogen konsumieren usw.) und dabei ein gewisser Reiz entstehen kann. Zudem bietet das Theater etwas, was beim Drogenkonsum der Kick bedeutet - der Applaus, der Erfolg, die Belohnung vom Publikum und die Anerkennung - das kann auch sehr berauschend sein. Es geht hier aber nicht darum das Theater als Ersatzdroge anzuführen, es soll gezeigt werden, warum sich das Theater eignet, um suchtpräventiv eingesetzt zu werden.

2. Der praktische Teil

Um mit Kindern und Jugendlichen präventiv arbeiten zu können, bietet sich die praktische Beteiligung dieser durch Theater an, da sie nur so am eigenen Körper und mit anderen Erfahrungen sammeln können. Das was sie erfahren geht sie direkt an, entsteht mit ihnen und wird durch sie präsentiert. Um das am Beispiel zu erläutern, soll nun eine Skizze des Workshops gegeben werden.

2a. Der Workshop

Modell ist der vom Schultheater-Studio entwickelte Gewaltpräventions-Workshop. Durch den Wechsel von Spielen und Übungen werden die Kinder und Jugendlichen langsam an das Medium Theater herangeführt und mit dem jeweiligen thematischen Schwerpunkt, zum Beispiel „Sucht", konfrontiert. Der Workshop umfasst drei Zeitstunden, in denen sich die Schüler/innen am Ende ihre eigenen erarbeiteten Szenen zum Thema "Sucht" präsentieren. Der Workshop hat das vorrangige Ziel die Selbsterkennung und Selbstbestimmung der Zielgruppe zu fördern. Deshalb werden Spiele und Übungen angeboten, die mit Kleingruppen arbeiten oder die das Spiel zwischen einzelnen fördern. Alle sind aktiv in einen Prozess eingebunden, an dem sich das Team der Theaterpädagog/innen gleichberechtigt beteiligt. Die Präsentation der Szenenzum Thema Sucht wird durch eine Szenenanalyse abgeschlossen, in der mit den Zuschauern und den Spielern über veränderbare Prozesse nachgedacht wird, die dann möglicherweise noch mal szenisch umgesetzt werden. Durch diese Methodik der Herangehensweise fällt es den Schüler/innen leichter ihre eigenen Erfahrungen, Vorstellungenund Phantasien einzubringen, da sie eine Rolle spielen können und sich somit einerseitsdistanzieren und andererseits einbringen können.

Im Rahmen der suchtpräventiven Arbeit wird hier versucht, dass sich die Schüler/innen untereinander besser oder anders kennen lernen. Die Lehrkraft, die den Workshop beobachtend von der Seite verfolgt, hat die Möglichkeit ihre Schüler/innen aus einer anderen Perspektive zu sehen, um so den weiteren Unterricht und die weitere Bearbeitung des Themas zu planen.

Der Workshop kann einen Ausgangspunkt bieten, um über Themen wie Konsum, Drogen und Sucht nachzudenken oder um weiter an ihnen zu arbeiten (auch mit theaterpädagogischen Mitteln). Der theaterpädagogische Zugang bietet dabei die erwähnten eigenen Möglichkeiten der Herangehensweise und Vertiefung.

2b. Multiplikatorenfortbildung

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung und Weitergabe der Methodik und der Erfahrungen an Multiplikator/innen (Lehrkräfte, Erzieher/innen, Sozialpädagog/innen, Theaterpädagog/innen, Fachpublikum, Projektpartner/innen auf nationaler und internationaler Ebene). Dies soll einerseits durch Fortbildungsmaßnahmen innerhalb der Schulen, die Workshops durchführen, geschehen, andererseits durch Präsentationen des Workshops zu gegeben Anlässen wie Fachtagungen, Foren oder internationalen Treffen. Es soll ein Austausch zwischen Multiplikator/innen und Fachleuten ermöglicht werden, der zur Weiterentwicklung beiträgt und zur Verbreitung der Methodik.