Hessische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS)

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Der Impuls

Ziel des Wettbewerbs war es, neue suchtpräventive Aktivitäten vorzustellen und in Hessen bekannt zu machen. Darüber hinaus sollten Institutionen Anerkennung finden, die suchtpräventive Maßnahmen und Projekte innovativ und wirksam umsetzen.

Jugendschutz und Discoveranstaltungen im Landkreis Limburg-Weilburg

Projektbeschreibung

I. Ausgangssituation

Der in Mittelhessen gelegene Landkreis Limburg-Weilburg setzt sich aus 5 Städten und 14 Gemeinden zusammen und hatte am 30.06.2007 insgesamt 174.219 Einwohner.

Seit Ende der 70-er Jahre erlebten Discoveranstaltungen, die von Vereinen im Rahmen von Vereinsjubiläen durchgeführt wurden, im Landkreis Limburg-Weilburg einen Boom. Anschließend ließ sich eine Phase beobachten, in der zunehmend mehr kommerzielle Discos im Landkreis eröffnet und immer weniger Discoveranstaltungen von Vereinen durchgeführt worden sind. Dieser Trend ist seit Mitte der 90-er Jahre wiederum gegenläufig: Die meisten kommerziellen Discos im Landkreis Limburg-Weilburg sind inzwischen geschlossen und es finden immer häufiger in den einzelnen Ortsteilen der Städte und Gemeinden nicht- kommerzielle Discoveranstaltungen statt.

Seit 1999 führt der Fachbereich Jugend im Rahmen des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes in regelmäßigen Abständen so genannten Jugendschutzbeobachtungen bei Discoveranstaltungen durch. Die bei den Besuchen der Veranstaltungen gemachten Beobachtungen werden aus Sicht des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes bewertet, protokolliert und anschließend mit Empfehlungen den Ordnungsämtern der Städte und Gemeinden und der Polizeidirektion Limburg-Weilburg zur Verfügung gestellt.

Vor ca. 4 Jahren ließ sich aufgrund unserer Beobachtungsbesuche und aufgrund von Rück-meldungen, die uns von den Städten, Gemeinden und der Polizei erreichten, feststellen, dass es immer häufiger zu Problemen bei der Durchführung der Discoveranstaltungen, insbesondere den Kirmesdiscoveranstaltungen, kam.

Folgende problematische Entwicklungen aus Sicht des gesetzlichen und erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes ließen sich beobachten:

  • Die Anzahl stark alkoholisierter Jugendlicher nahm insgesamt zu.
  • Die Preisgestaltung der Veranstalter animierte Jugendliche häufig dazu, bevorzugt alkoholische Getränke zu konsumieren. Bei den Happy Hour - Angeboten handelt es sich sehr häufig um hochprozentige alkoholische Mixgetränke.
  • Auch an unter 16-jährige Jugendliche wurde Alkohol verkauft.
  • Der Altersdurchschnitt der Jugendlichen, die Alkohol konsumierten, nahm insgesamt ab.
  • Alkopops wurden entgegen den Bestimmungen des JUSchG auch an unter 18-jährige abgegeben und von diesen häufig sehr stark konsumiert.
  • Das Verantwortungsbewusstsein der Veranstalter nahm ab: Auch an Jugendliche in einem stark alkoholisierten Zustand wurden noch alkoholische Getränke verkauft. Das vom Veranstalter eingesetzte Personal konsumierte ebenfalls oftmals in einem hohen Maße Alkohol (negative Vorbildfunktion).
  • Die Anwesenheitsgrenzen nach dem Jugendschutzgesetz wurden häufig nicht mehr eingehalten: Zum Teil hielten sich auch Kinder ohne Begleitung einer erziehungsbeauftragten Person bei Discoveranstaltungen auf.
  • Es konnte eine Zunahme an gewalttätigen Auseinandersetzungen u. a. auch bedingt durch einen hohen Alkoholkonsum festgestellt werden. Mehrfach trugen die eingesetzten Sicherheitsdienste noch zu einer weiteren Eskalation der Auseinandersetzung bei.

Auf Initiative des damaligen Ersten Kreisbeigeordneten und Jugenddezernenten und heutigen Landrates des Landkreises Limburg-Weilburg, Manfred Michel, entschloss sich der Fachbereich Jugend Anfang 2004 dazu, mit einer umfassenden Informationskampagne, dieser Entwicklungen entgegenzutreten. Als Kooperationspartner konnten die Polizeidirektion Limburg-Weilburg und die Industrie- und Handelskammer Limburg gewonnen werden. Die Polizeidirektion war uns als Kooperationspartner wichtig, um den Bereich des gesetzlichen Kinder - und Jugendschutzes abzudecken. Die Industrie- und Handelskammer sollte ihre Kompetenzen im Bereich der Sicherheitsdienste und Bewachungsunternehmen mit in das Projekt einbringen, da die meisten Discoveranstaltungen im Landkreis von Bewachungsunternehmen abgesichert werden.

Die Vorbereitung der Informationskampagne begann Mitte 2004 mit der Konzipierung der Broschüre „Jugendschutz und Discoveranstaltungen im Landkreis Limburg -Weilburg - Informationen und Hinweise für Veranstalter, " im Oktober 2004 wurde die Kampagne offiziell im Rahmen eines Pressegespräches gestartet; bis zum jetzigen Zeitpunkt sind bereits ein Vielzahl an Aktionen und Maßnahmen durchgeführt worden.

II. Ziele

Die Hauptziele der Informationskampagne sind den o. g. Entwicklungen entgegenzutreten, dem Kinder - und Jugendschutz bei Discoveranstaltungen wieder mehr Bedeutung beizumessen und den Alkoholkonsum von Jugendlichen bei Discoveranstaltungen einzuschränken. Mit der Informations-kampagne verfolgen wir folgende Einzelziele:

  • Aufklärung über die Gefahren von überhöhtem Alkohol.
  • Aufklärung über die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes, die für die Durchführung von Discoveranstaltungen relevant sind und die Hinführung zu einer stärkeren Beachtung der Vorschriften.
  • Zusätzliche Aufklärung über das Abgabeverbot von Alkopops und anderen branntweinhaltigen Getränken an unter 18-jähige Jugendliche und die Hinführung zu einer stärkeren Beachtung.
  • Schaffung eines größeren Verantwortungsbewusstseins der Veranstalter gegenüber Jugendlichen hinsichtlich des Konsums von alkoholischen Getränken.
  • Reduktion des Angebotes an branntweinhaltigen alkoholischen Getränken bei Disco-veranstaltungen.
  • Schaffung von Anreizen, dass bei Discoveranstaltungen bevorzugt alkoholfreie Getränke konsumiert werden.
  • Reduktion der Anzahl gewalttätiger Auseinandersetzungen bei Discoveranstaltungen.

III. Zielgruppen

Neben der breiten Öffentlichkeit und den Kindern und Jugendlichen selbst, möchten wir mit der Kampagne insbesondere die Personengruppen erreichen, die an der Genehmigung und Durchführung von Discoveranstaltungen beteiligt sind. Diese sind im Einzelnen:

  • Veranstalter von nicht - kommerziellen Discos.
  • Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Städten und Gemeinden des Landkreises, die für die Genehmigungen von Discos zuständig sind.
  • Sicherheits- und Unterwachungsunternehmen, die auf den Discoveranstaltungen im Landkreis eingesetzt werden.
  • Als Multiplikatoren sollen folgende Personengruppen erreicht werden:
  • Bürgermeister der Städte und Gemeinde des Landkreises als verantwortliche politische Entscheidungsträger
  • Schulleiterinnen und Schulleiter der weiterführenden Schulen im Landkreis Limburg-Weilburg
  • In der Jugendarbeit tätige ehrenamtliche und hauptamtliche Personen (z.B. Jugendpflegen/ Jugendbetreuer wie. z.B. Jugendfeuerwehrwarte)

IV. Maßnahmen und Aktionen

  1. Pressegespräch zum Start der Informationskampagne „Jugendschutz und Discoveranstaltungen"
    Im Rahmen eines Pressegespräches wurde die Informationskampagne „Jugendschutz und Discoveranstaltungen" gestartet. Der Jugenddezernent des Landkreises Limburg - Weilburg stellte die Kampagne vor, erläuterte ihre Ziele, die geplanten Maßnahmen und Aktionen, sowie die einzelnen Informationsmaterialien. Die Vertreter der Industrie - und Handelskammer Limburg und der Polizeidirektion Limburg-Weilburg gaben darüber hinaus zusätzliche Informationen zum Einsatz von Sicherheitsdiensten bei Discoveranstaltungen bzw. erläuterten die Punkte, die aus Sicht der Polizei bei der Durchführung Discos zu beachten sind.
  2. Informationsbroschüre „Jugendschutz und Discoveranstaltungen im Landkreis Limburg-Weilburg - Informationen und Hinweise für Veranstalter"
    In Kooperation mit der Polizeidirektion Limburg - Weilburg und der Industrie - und Handelskammer Limburg gab der Fachbereich Jugend im Jahr 2004 die Broschüre „Jugendschutz und Discoveranstaltungen im Landkreis Limburg - Weilburg -Informationen und Hinweise für Veranstalter" heraus. Die Broschüre informiert über die Vorschriften des Jugendschutzgesetzes, die bei der Durchführung von Discoveranstaltungen zu beachten sind, und erläutert diese. Darüber hinaus gibt die Broschüre Empfehlungen und Hinweise, wie diese Vorschriften aus Sicht des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes in die Praxis umgesetzt werden können.
    Die Broschüre wurde an alle Städte und Gemeinden des Landkreises mit der Bitte weitergeleitet, diese im Rahmen des Genehmigungsverfahrens an die Veranstalter von Discos weiterzuleiten.
    Ergänzend verschickte der Fachbereich Jugend an die Städte und Gemeinden zusätzliche Informationsmaterialien zum einen allgemein zum Jugendschutzgesetz, zum anderen speziell zum Abgabeverbot von Alkopops an Jugendliche unter 18 Jahren (Plakat "Schmeckt wie Gummibärchen - wirkt wie Korn") mit der Bitte, die Materialien auszulegen bzw. aufzuhängen.
  3. Informationsveranstaltung für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Städte und Gemeinde, die für die Genehmigung von Discoveranstaltun­gen zuständig sind.
    Auf Einladung des Jugenddezernenten, die über die Bürgermeister der Städte und Gemeinden lief, fand ein Informationsgespräch für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Ordnungsämter statt, die für die Genehmigung von Discoveranstaltungen zuständig sind. Der Einladung waren von 19 Städten und Gemeinden des Landkreises insgesamt 17 Vertreterinnen und Vertreter gefolgt. Im Rahmen des Informationsgespräches wurden Erfahrungen über den Verlauf von Discoveranstaltungen in Hinblick auf den Alkoholkonsum und - missbrauch von Jugendlichen, der Einhaltung der Alter- und Zeitgrenzen des Jugendschutzgesetzes und dem Einsatz von Sicherheitsdiensten erörtert. Seitens der Vertreter der Städten und Gemeinden gab es viele verschiedene Anregungen und „Best - Practise - Beispiele", wie der Alkoholkonsum von Jugendlichen bei Discoveranstaltungen eingedämmt und das Gefährdungspotential für Jugendliche reduziert werden kann (z.B. Preisgestaltung/ Verweigerungen von Genehmigungen bei Veranstaltern, die in der Vergangenheit massiv gegen die Einhaltung der Jugendschutzgesetze verstoßen haben). Aufgrund des Gespräches kamen viele Teilnehmer der Informationsveranstaltung zu dem Entschluss, dem Jugendschutz und insbesondere der Alkoholprävention bei zukünftigen Discoveranstaltungen mehr Bedeutung beizumessen.
  4. Vorstellung der Informationskampagne bei der Herbstdienstversammlung der Jugendfeuerwehren im Landkreis Limburg-Weilburg
    Nach der Sportjugend ist die Jugendfeuerwehr der größte Jugendverband im Landkreis Limburg-Weilburg. In 104 Jugendfeuerwehren sind über 1700 Kinder und Jugendliche organisiert. Auf der Herbstdienstversammlung der Jugendfeuerwehren stellte der Erste Kreisbeigeordnete und Jugenddezernent im November 2004 die Informationskampagne mit ihren Zielsetzungen vor. Die Broschüre „Jugendschutz und Discoveranstaltungen..." und die Drehscheibe „Rund um den Jugendschutz" wurde den Tagungsunterlagen der teilnehmenden Jugendfeuerwehrwarten beigefügt.
  5. Vorstellung der Informationskampagne in der Arbeitsgemeinschaft der Orts­und Stadtjugendpflegen
    In insgesamt 16 der 19 Städten und Gemeinden des Landkreises Limburg-Weilburg sind hauptamtliche Jugendpflegerinnen und Jugendpfleger tätig. Sie sind in einer Arbeitsgemeinschaft, die sich in regelmäßigen Abständen trifft, organisiert.
    Der Jugendschutzbeauftragte des Landkreises Limburg-Weilburg stellte die Informationskampagne den Orts - und Stadtjugendpflegen über die Arbeitsgemeinschaft vor und übergab ihnen ein umfangreiches Informationspaket zum Jugendschutz (u. a. Broschüre „Jugendschutz und Discoveranstaltungen.."/ Drehscheibe „Rund um den Jugendschutz'l.
  6. Verteilung der Informationsmaterialien an die weiterführenden Schulen des Landkreises Limburg-Weilburg
    Den weiterführenden Schulen im Landkreis wurde mit einem Begleitschreiben des Jugend­schutzbeauftragten Informationsmaterial zum Abgabeverbot von Alkopops an Jugendliche unter 18 - jährige zur Verfügung gestellt. Auch der Schulferienkalender 2005, den das Kreisjugendamt in regelmäßigen Abständen mit einer Auflage in Höhe von 6000 Exemplaren herausbringt, stand unter dem Motto „Schmeckt wie Gummibärchen- wirkt wie Korn" und wies auf das Abgabeverbot von Alkopops an unter 18-jährige hin.
  7. Informationsveranstaltung für die Sicherheitsdienste und Bewachungsunternehmen
    Für die Sicherheitsdienste und Bewachungsunternehmen wurde in Kooperation mit der Industrie - und Handelskammer Limburg und der Polizeidirektion Limburg -Weilburg eine Fortbildungs-veranstaltung zum Thema „Jugendschutz und Discoveranstaltungen" angeboten. An der nahmen über 30 Mitarbeiter teil.

V. Fazit und Ausblick

Es ist uns bewusst, dass die Ziele unserer Kampagne nur langfristig zu erreichen sind und uns das Thema „Jugendschutz und Discoveranstaltungen" und die damit verbundene Problematik des Alkoholmissbrauchs bei Discoveranstaltungen auch in den nächsten Jahren beschäftigen werden.

Verschiedene Rückmeldungen, die wir bis heute erhalten haben, und eigene Beobachtungen, die wir gemacht haben, sprechen jedoch dafür, dass wir mit unserer Kampagne die Impulse an der richtigen Stelle gesetzt haben und die Thematik im Landkreis Beachtung findet. Wir machen dieses an folgenden Punkten fest:

In den letzten Monaten riefen im Fachbereich Jugend vermehrt Veranstalter an, baten um Informationen zum Jugendschutzgesetz und um zusätzliches Informationsmaterial (Plakate, Aushänge) zum Thema Alkoholmissbrauch. Im Gesprächsverlauf teilten sie dem Jugendschutzbeauftragten mit, dass es ihr Ziel sei, bei der geplanten Veranstaltung bewusster mit dem gesetzlichen und erzieherischen Jugendschutz umzugehen.

  • Beim diesjährigen Maskenball in Bad Camberg-Oberselters wurden die Empfehlungen der Broschüre „Jugendschutz und Discoveranstaltungen..." umgesetzt und alkoholfreie Getränke bewusst zu deutlich niedrigeren Preisen angeboten, als alkoholische Getränke. Auf den Verkauf von Alkopops wurde gänzlich verzichtet.
  • Ein Resultat der Veranstaltung mit den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Städte und Gemeinden war, dass ihnen bewusster wurde, welche Gefahren in Hinblick auf Alkoholmissbrauch von Discoveranstaltungen ausgehen können; viele von ihnen äußerten die Absicht, dem gesetzlichen Jugendschutz im Genehmigungsverfahren zukünftig mehr Bedeutung beizumessen.

Wir halten unsere Informationskampagne „Jugendschutz und Discoveranstaltungen im Landkreis Limburg-Weilburg" aus folgenden Gründen für eine vorbildliche Präventionsstrategie:

  • Die Kampagne setzt bei den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen an: Kinder und Jugendliche konsumieren häufig bei Discoveranstaltungen zum ersten Mal Alkohol bzw. dort findet unter Umständen eine Alkoholgewöhnung bzw. Alkoholakzeptanz statt.
  • Die Kampagne ist sehr breit gefächert und richtet sich an sehr unterschiedliche Zielgruppen und Multiplikatoren.
  • Politischen Entscheidungsträger sind in die Kampagne mit eingebunden (Jugenddezernent des Landkreises/ Bürgermeister der Städte und Gemeinden im Landkreis Limburg-Weilburg).
  • Die Kampagne baut sowohl auf präventive Einflussmöglichkeiten (z.B. Broschüre „Jugendschutz und Discoveranstaltungen..."), als auch auf repressive Einflussmöglichkeiten (z.B. im Genehmigungsverfahren von Discoveranstaltungen).

Um die Nachhaltigkeit unseres Präventionsansatzes abzusichern, beabsichtigen wir die Aktionen und Projekte im Bereich „Jugendschutz und Discoveranstaltungen" unter Hinzuziehung weiterer Kooperationspartner fortzuführen.

Auch die Jugendschutzbeobachtungen bei Discoveranstaltungen werden vom Kreisjugendamt Limburg-Weilburg in regelmäßigen Abständen weiterhin durchgeführt.